Auch wenn im Mai die ersten Lockerungen des Shutdown vorgenommen wurden, dauert die Corona-Pandemie doch an und auch die ohnehin bestehenden Diskriminierungen und Härten für marginalisierte Menschen werden durch die Krise und die Maßnahmen des Shutdown weiter verstärkt. So verwundert es nicht, dass viele Blogger*innen sich weiter mit den Folgen dieser Situation beschäftigen.
Women in Exile problematisieren und skandalisieren die Situation von Geflüchteten im Lager in Moria auf Lesbos und anderen griechischen Inseln, auf der Balkanroute oder in den Folterlagern in Libyen sowie in den Sammellagern in Deutschland: „‘Wir beobachten derzeit eine bewusste Gefährdung der Gesundheit, nämlich dass eine Durchseuchung in Kauf genommen wird,‘ so Helen Deffner vom Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt. Zu Hunderten werden Geflüchtete auf engstem Raum untergebracht und dadurch zwangsläufig dem gefährlichen Virus ausgesetzt. ‚Das Corona-Virus macht noch einmal deutlich: Es ist längst an der Zeit, dass die Landesregierungen Konzepte für die Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen erarbeiten und ausbauen und nicht weiter auf Massenunterbringung setzen. Es bedarf jetzt eines Richtungswechsels: Abkehr von Sammelunterkünften hin zu Wohnungen!‘“
Wie verändert sich unsere Nutzung von Social Media im Kontext der Corona-Krise? Darüber schreibt Isabel Raikes auf dem englischsprachigen Blog Young Feminists Europe. Ihr Eindruck ist, dass es in den Social Media Kanälen zur Zeit sehr viel darum geht, wie mensch den eigenen Körper entsprechend der normativen Schönheits- und Weiblichkeitsideale optimieren kann und sollte. Sie beschreibt die negativen Effekte, die dies auf ihr Wohlbefinden hat und welchen schützenden Umgang sie daraufhin mit Social Media gefunden hat.
Die Krise bedeutet zusätzliche Belastungen und eine Gefährdung der psychischen Gesundheit all derjenigen jungen Frauen* und Mädchen in Europa, die in die Pflege von Angehörigen verantwortlich eingebunden sind. Auf diese Problematik macht Queralt Tornafoch-Chirveches in einem Post auf Young Feminists Europe aufmerksam.
Auf DUNKELLILA macht Frau N. sich Gedanken über die neuerdings als „systemrelevant“ bezeichnete Arbeit, die überwiegend von Frauen* geleistet wird: „die Arbeit in diesen Frauenberufen ist schlecht bezahlt, und sie findet unter zum Teil unzumutbaren Bedingungen statt. Dass eine Fachkraft in der Autoindustrie fast doppelt soviel verdienen kann wie eine examinierte Altenpflegerin, das war bisher kein Grund zur Empörung, das war normal.“ Sie warnt davor, dass wir nach der Krise in diese „Normalität“ zurück fallen und appelliert: „Wir müssen kämpfen, damit nicht dasselbe passiert wie immer, wie nach der Finanzkrise 2008: kaum ist das schlimmste vorbei, schieben sich wieder die üblichen mächtigen Lobbygruppen in den Vordergrund und verlangen lautstark nach Aufmerksamkeit und staatlicher Hilfe. Wir müssen kämpfen dafür, dass Steuermittel jetzt so eingesetzt werden, dass sie gleichermaßen bei den Frauen wie bei den Männern ankommen.“
Das Blog des Digitalen Deutschen Frauenarchivs bietet einen historischen Blick auf sogenannte systemrelevante Arbeiten, die überwiegend von Frauen geleistet wurden. Dabei geht es auch um die Verwobenheit von Klassismus und Sexismus und um die Kämpfe der Frauenbewegungen für Zugang zu Berufen und angemessenen Lohn. Birgit Kiupel führt u.a. dieses Beispiel an:„Nach Schätzungen für das 18. Jahrhundert in Hamburg erhielten Frauen für gleichwertige Arbeit 40 bis 50 Prozent weniger Lohn als Männer. Hinzu kommt die unentbehrliche Arbeit für Familie, Haus und als heimliche Chefinnen im Familienbetrieb. (…) Frauen aus den sogenannten Unterschichten waren immer erwerbstätig – sie schufteten ganz selbstverständlich für ihren Lebensunterhalt. Mädchen wurden zu Tätigkeiten angelernt, z.B. in Manufakturen oder als Dienstbotinnen. (…) Eine Tatsache, die auch viele Vertreterinnen der Frauenbewegungen nicht im Blick hatten. .“
Sabrina und Uta schreiben auf dem Vereinbarkeitsblog über die Erfahrungen, die sie als Mütter in der Corona-Krise machen, zum Beispiel über Schule und Corona und Homeschooling oder über die lehren, die wir aus der Krise ziehen können.
Im Podcast „Servicewüste Feminismus“ der Mädchenmannschaft tauschen Charlott und Anna-Sarah „Gedankenschlaglichter zur Coronakrise“ aus. Da geht es unter anderem um die Gleichstellung von Menschen mit Beeinträchtigungen, um politische Aktionen, bei denen körperlicher Abstand gewahrt werden kann, um Möglichkeiten der Solidarität und um Filmtipps.
Mit der Repräsentation von Frauen in den Medien in Krisenzeiten befasst sich eine aktuelle Studie, die von der MaLisa Stiftung in Auftrag gegeben wurde. Dabei ging es um diese Fragen: „Wie steht es um die Geschlechtergerechtigkeit in der Corona-Berichterstattung im Fernsehen und in den Online-Auftritten von Printmedien in Deutschland? Wie oft kommen Frauen und Männer zu Wort? Wie oft und zu welchen Themen werden sie als Expert*innen befragt?“ Die zentralen Ergebnisse hier kurz zusammenfassend zitiert:
„* In den TV-Formaten war nur eine von fünf Expert*innen weiblich (22%). In der Online- Berichterstattung wurden Frauen nur zu rund 7 Prozent als Expertinnen erwähnt.
* Als Mediziner*innen kamen vor allem Männer zu Wort – obwohl fast die Hälfte aller Ärzt*innen in Deutschland weiblich ist. Von den im TV befragten Ärzt*innen ohne Leitungsfunktion war nur eine von fünf weiblich.
* Insgesamt kamen sowohl im Fernsehen als auch in den Online-Berichten der Printmedien mit Corona-Bezug auf eine Frau zwei Männer.“
Ausführliche Informationen zur Studie finden sich hier.
Und last but not least hier noch die Links zu zwei feministischen Manifesten
Das englischsprachige Manifest „Feminism Now! A feminist manifesto for confronting the corona crisis in Europe“ nimmt seinen ausgangspunkt in der tatsache, dass die aktuelle Krise die bestehenden Ungleichheiten verschärft. Es bietet Vorschläge und Diskussionsanregungen rund um diese, miteinander verbundenen Themen:
„* The change to a feminist economy, climate justice and solidarity
* The threat authoritarianism poses to democracy and feminism, and what to do about it
* Feminist class struggles in health, care and other ‚front-line‘ sectors
* Bodily and mental integrity and the right to protection against violence
* Migration and the inhumane body politics of border control“
Das Manifest wurde von der europäischen feministischen Arbeitsgruppe der Rosa-Luxemburg-Stiftung verfasst und findet sich auf der Website der Stiftung.
Auf ein Manifest des Schweizer „Denknetzes“ weist Antje Schrupp auf ihrem Blog hin. In dem Manifest wird ein erneuerter lokaler und globaler Gesellschaftsvertrag gefordert, der sich nach „vier Wegweisern“ richten soll: „Care, Kooperation, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“. Ausgangspunkt der Autor*innen ist die „verwundete Welt“, in der wir leben: „Die Corona-Krise schärft den Blick auf eine Welt, die gleichermaßen globalisiert und zerrissen ist: Eine Welt von unermesslichen globalen Ungleichheiten, auch zwischen den Geschlechtern, von stark bedrängten oder nicht vorhandenen sozialen Einrichtungen, deregulierten Märkten, monopolistischen Konzernen, eine Welt des ungehemmten Standortwettbewerbs und des Zerfalls von Steuereinnahmen. Eine Welt, die viel verwundbarer ist, als es noch vor Kurzem den Anschein machte.“