In meinem Promotionsprojekt „Feministisch bloggen: Intersektionale Perspektiven auf den Zusammenhang von Bloggen, Subjektbildung und Handlungsfähigkeit“ (Arbeitstitel) interessiere ich mich für die Perspektive feministischer Blogger*innen auf ihre Praxis des Bloggens.
Ausgangsproblematik
Wenn Blogger*innen sich „ins Internet“ begeben und ihre Blogposts online stellen, eröffnen sich ihnen neue Handlungsräume. Die digitalen Öffentlichkeiten bergen viele Chancen aber auch widersprüchliche Herausforderungen und negative Effekte.
Es eröffnen sich Möglichkeiten der Repräsentation: eigene Medienbeiträge können ohne großen Aufwand publiziert werden, feministische Perspektiven finden ein Publikum, bisher marginalisierte Stimmen melden sich zu Wort und werden verstärkt, Communities können aufgebaut und Netzwerke (weiter) geknüpft werden. Das Internet macht es leicht, Wissen zu teilen und online-Diskussions- und Lernräume zu errichten. Barrieren können hier mitunter leichter überwunden werden als in physischen Räumen. Die Blogger*innen können sich als öffentliche und politische Subjekte mit ihrem je spezifischen Profil positionieren und sich in Debatten der feministischen Bewegung und des Mainstreams einmischen. D.h. mit dem Bloggen geht evtl. ein (Selbst-)Empowerment und die Erweiterung individueller und kollektiver Handlungsfähigkeit(en) einher.
Andererseits birgt das Netz auch Barrieren und Gefahren, die z.B. mit dem „digital divide“, mit digitaler Gewalt, Überwachung oder der Ausnutzung der unbezahlten Arbeit der Blogger*innen und ihrer Daten verknüpft sind (Stichwort „Commodifizierung“‘, d.h. das „Zur-Ware-Werden“ ihrer bewusst und unbewusst hinterlassenen Daten/-spuren). Außerdem machen sich auch in der Internet-Nutzung (weltweit) soziale Ungleichheiten und Diskriminierung bemerkbar, wenn z.B. sog. Angsträume im Netz und/oder fehlendes ökonomisches und soziales Kapital, mangelhafte technische Infrastrukturen oder Internetsperren zu Ausschlüssen führen.
Im Projekt geht es mir darum, diese Spannungsverhältnisse – zwischen Handlungsfähigkeit und Ohnmacht, zwischen widerständiger Subjektbildung und Unterwerfung und zwischen Ermächtigung und Unterdrückung – die sich im Kontext des Bloggens auftun, zu erforschen. Dazu verfolge ich zwei zentrale Fragestellungen:
Fragestellungen
Erstens frage ich, inwiefern die Blogger*innen mit dem Bloggen eine Erweiterung und/oder Einschränkung ihrer Handlungsfähigkeit verbinden.
Dabei interessiert mich, ob sie mit dem Bloggen eine Veränderung ihres Selbst und ihres Verhältnisses zur Welt verknüpfen – und wie sie diese Veränderungen beschreiben und bewerten.
Daran knüpfen sich weiterführende Fragen an, z.B. danach, welche gesellschaftlichen Konflikte sie wahrnehmen und wie sie sich bloggend dazu verhalten. Mich interessiert, welche Bedeutung sie ihren Lebensbedingungen beimessen, d.h. wie aus ihrer Sicht ihre Handlungsmöglichkeiten durch gesellschaftliche Strukturen und Diskurse und durch Macht- und Herrschaftsverhältnisse (wie z.B. Ableismus, Sexismus, Cis- und Heteronormativität Klassismus, Rassismus, Antisemitismus u.a.) bedingt, eingegrenzt und/oder erweitert werden.
Die zweite zentrale Frage bezieht sich auf ihr „In-Erscheinung-Treten“ als Bloggerin und als Feministin im Kontext digitaler Öffentlichkeiten. Hier arbeite ich heraus, inwiefern ihre Subjektivierung als „feministischer Bloggerin“ in diskursiven Praktiken als Prozess einer emanzipatorisch-politischen Subjekt-Bildung verstanden werden kann.
Ich interessiere mich also für den Zusammenhang zwischen der Nutzung digitaler Internet-Technologien (mit Fokus auf das Bloggen), gesellschaftlicher Teilhabe und emanzipatorisch-politischer Partizipation.
Mit der Arbeit hoffe ich Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sich ein „Ringen um Handlungsfähigkeit“ (Carstensen 2023) im Kontext des Bloggens und damit verknüpfter Subjektbildungsprozesse in unserer heutigen und hiesigen Kultur der Digitalität (Stalder 2016) gestaltet.
Anlage der Studie und Methoden der Datenerhebung und -auswertung
Um Einblick in die Perspektiven feministischer Blogger*innen auf ihre Praktik des Bloggens zu erhalten, habe ich leitfadengestützte Interviews mit Bloggerinnen (aus dem amtlich-deutschsprachigen Raum) geführt, die sich selbst als feministisch verstehen. Die Auswertung der Interviews (und ausgewählter Blogposts) erfolgt in einer Kombination der Intersektionalen Mehrebenenanalyse nach Winker und Degele (2009) und Ganz und Hausotter (2020) mit einer an Butler und Foucault orientierten Subjektivierungsanalyse (angelehnt an Bergold-Caldwell 2020; Geipel 2022; Künstler 2022).
Neben der qualitativen Interviewstudie umfasst die Arbeit auch Elemente einer digitalen Ethnografie, in der ich im Feld der feministischen Blogosphären als teilnehmende Beobachterin „unterwegs“ bin. Auf der Grundlage einer Sammlung von Links zu feministischen Blogs (s. Blogroll) soll eine Art „Mapping“ der feministischen Blogosphären erstellt und eine „Kleine Geschichte feministischen Bloggens im amtlich-deutschsprachigen Raum“ skizziert werden.
Literatur
Bergold-Caldwell, Denise (2020): Schwarze Weiblich*keiten. Intersektionale Perspektiven auf Bildungs- und Subjektivierungsprozesse. Bielfeld: Transcript.
Carstensen, Tanja: Ringen um Handlungsfähigkeit im digitalen Kapitalismus – Aushandlungsprozesse um digitale Technologien aus intersektionalen Perspektiven. In: Carstensen, Tanja/Schaupp, Simon/ Sevignani, Sebastian (2023): Theorien des digitalen Kapitalismus. Arbeit und Ökonomie, Politik und Subjekt. FFM: Suhrkamp, S. 402-420
Ganz, Kathrin/Hausotter, Jette (2020): Intersektionale Sozialforschung. Bielefeld: Transcript.
Geipel, Karen (2022): Zum Subjekt werden. Analysen vergeschlechtlichender Positionierungen im Sprechen über Zukunft. Wiesbaden: Springer VS
Künstler, Phries Sophie (2022): Prekäre Subjektivierung. ›Kämpfe ums Möglichwerden‹ im Kontext von Mutterschaft und Erwerbslosigkeit. Bielefeld: transcript.
Winker, Gabriele/Degele, Nina (2009): Intersektionalität. Zur Analyse sozialer Ungleichheit. Bielefeld: transcript.
Stalder, Felix (2016). Kultur der Digitalität. Berlin: Suhrkamp.